Mittwoch, 16. März 2011

Die Pulsnitz - ein Fluss hat ertaunliche Antworten

Der nur wenige Meter breite und überwiegend mit geringem Gefälle dahinplätschernde Fluss weiß Antworten, über die Sie staunen werden, sofern Sie an den Ländern, die er teilt oder verbindet, ein wenig Interesse haben.

  1. Warum spricht man in den Lausitzen heute noch sorbisch?
  2. Warum ist die sorbische Sprache im übrigen Deutschland ausgestorben?
  3. Warum sprechen die Sachsen rechts der Pulsnitz keinen sächsischen Dialekt?
  4. Warum nutzen Katholiken und Protestanten in Bautzen denselben Kirchenbau?
  5. Warum heißt die Oberlausitz Oberlausitz?
  6. Warum meint man mit „Lausitz“ oft nur die Niederlausitz?
  7. Warum gibt es in der Stadt Pulsnitz einen Stadtteil „Meißner Seite“, obwohl Meißen doch 50 km entfernt ist?
  8. Warum steht „Meißner Seite“ und insbesondere „Böhmische Seite“ bis heute in den Flurkarten anderer Orte entlang der Pulsnitz, obwohl sowohl Böhmen als auch Meißen mindestens 35 km von der Pulsnitz entfernt sind?
  9. Warum gibt es in der Oberlausitz mehr Klöster als im übrigen Sachsen?
  10. Warum ist der Sitz des Bistums Meißen bis 1980 in Bautzen?
  11. Warum ist der „Böhmische Löwe“ in den meisten Wappen der Oberlausitzer Städte?

Geologie der Pulsnitz

Der Name „Pulsnitz“ stammt von dem urslawischen Wort „pьlz“, was „kriechen“ oder „langsam bewegen“, also hier: "langsam dahinfließendes Gewässer" bedeutet. [1] Pulsnitz ist also namensverwandt mit dem tschechischen Pilsen (Plzeň) und auch die Frage ist geklärt, ob der Fluss der Stadt oder die Stadt dem Fluss den Namen gegeben hat.Vielleicht besteht auch eine Wortverwandschaft zum lateinischen pulsare ("klopfen", eben "pulsieren") [2]

Die Quelle der Pulsnitz liegt unscheinbar in der Gemeinde Ohorn. die auch hier, am Fuß des ''Tannebergs'' auf ca. 310 m ÜNN entspringt.[3] Der Tanneberg gehört zu den Oberlausitzer Vorbergen (auch: Hochstein-Bergkette), die von der Massenei bis zum Kamenzer Hutberg reichen. Der ''Hochstein'' als höchste Erhebung erreicht 449 m ÜNN, der Kamenzer Hutberg immerhin noch fast 300 m. Die Bergkuppen dieser aus Granit geformten Kette sind ungefähr doppelt so hoch wie das jeweils umliegende Gelände. Wer auf der Via Regia oder der A4 aus östlicher Richtung kommt, sieht kurz hinter Bautzen diese beeindruckende Gebirgsfront stehen, die er schließlich in dem Gebiet von Burkau, Rammenau und Ohorn durchqueren muss. Im „Hochsteingebiet“ liegen im Abstand von 3 km die Quellen von Pulsnitz, Röder und Schwarzer Elster. Die Elster fließt nach Norden über Elstra, die Röder nach Südosten über Röderbrunn und die Pulsnitz nach Nordosten über Pulsnitz. Alle drei Flüsse vereinigen sich bei Elsterwerda und legen bis da hin zwischen 80 und 100 km Wegstrecke zurück. Die Elster wählt den längsten Weg, indem sie den Gebirgskamm zunächst in östlicher Richtung verlässt und ihn dann nach Norden begleitet. Die Röder nimmt die Passage zwischen Hochstein und Massenei. Das von ihr durch das Gebirge geschaffene Weg nutzt bis Radeberg die A4. Die Pulsnitz hat sich den schwierigsten Weg ausgesucht, fließt bis Königsbrück zwischen den Bergen, hat es danach aber von allen drei Flüssen auch am besten.

Mit ihrem Ursprung auf 360 m hat sie über die 90 km bis zur Mündung nur 220 Höhenmeter zurückzulegen. Die 200 m Marke „knackt“ an der Ortsgrenze von Reichenbach nach Reichenau, hat also auf den ersten 13 Kilometern mit einem durchschnittlichen Gefälle von nur 1,23% [4] schon das „Schlimmste“ hinter sich. Die nächsten 100 Höhenmeter überwindet sie auf ca. 30 km mit 0,3% Gefälle bis unmittelbar hinter Ortrand, um dann für den gesamten Rest bis Elsterwerda auf weniger als 20 km nur noch gemütliche ?? Höhenmeter zu haben. Allerding zweigt an der 100m-Marke, also noch vor der Unterquerung der A 13, die „Alte Pulsnitz“ ab, die sich bei Lindenau noch mal kurz mit der „Neuen Pulsnitz“ vereint, um sich danach in eine neuerliche Pulsnitz und „Grenzpulsnitz“ zu teilen. Dieser Fakt wird im Folgenden noch wichtig sein, denn die historische Grenze, über die wir im Folgenden reden werden, bezieht sich auf die Alte Pulsnitz und die Grenzpulsnitz, die nach Tettau weiterfließt und sich dort in den „Hauptschradengraben“ ergießt und sich praktisch an der Stelle, wo sie früher in die Elster mündete, in dem von Menschenhand geschaffenen Kanalsystem auflöst. Die Elster fließt heute streng kanalisiert 3 km weiter nördlich an diesem einst westlichsten Punkt der Oberlausitz vorbei.

Aber zu diesem historisch spannenden Stück Pulsnitz kommen wir später. Naturräumlich spannend sind der erste Abschnitt bis Königsbrück und der zweite Abschnitt durch die Königsbrücker Heide. Das beschriebene geringe Gefälle erklärt im Nachhinein die Namenswahl der „Kriechenden“. Das Kriechen als Bewegungsform erinnert an Schlangen oder Reptilien. Etwa so muss sich die Pulsnitz zunächst auch durch die Oberlausitzer Vorberge bewegen. Während die Elster von der östlichen Teilkette der Oberlausitzer Vorberge (Hochstein (449 m), Schwarzenberg (413 m), Hennersorfer Berg (387 m), Golksberg (302 m), Hutberg (293 m), Vogelberg (263 m – von Süd nach Nord) Richtung Kamenz gelenkt wird, windet sich die Pulsnitz und der in sie mündende Haselbach zwischen einer mittleren und einer westlichen Teilkette hindurch. In der mittleren ragen besonders Heiliger Berg (353 m), Wüsteberg (351 m), Wahlberg (359 m), Spitzberg (289 m) und Breitenberg (298 m – v. S n. N ) heraus. Die westliche Flanke bildet das Keulenbergmassiv, im Süden beginnend mit dem Tännichtberg (320 m) über den Kleinen (390 m) zum (Großen) Keulenberg (414 m) und dem Vogelberg (296 m). Das Massiv läuft nach Norden hin sanft aus und endet am Wagenberg (260 m) und dem Lindenberg, der in dieser Richtung mit 212 m letzten über 200 m hohen Erhebung.

Am Ortsende von Reichenau hat sich die Pulsnitz entschlossen, das Keulenbergmassiv zu durchbrechen und ein tiefes Tal geschaffen, das heute als NSG genau diesen Namen trägt. Dieses Tal quert man, wenn man von Gräfenhain nach Königsbrück fährt. Nach der Flußquerung geht es steil hinauf nach Königsbrück. Man ahnt schon aus den geologischen Gegebenheiten, dass die über der Pulsnitzaue ruhende mittelalterliche Stadt hier ein ideal zu verteidigender Vorposten war.

Nachdem die Pulsnitz hier das Oberlausitzer Bergmassiv überwunden hat und die nun immer flacher und schließlich zu Hügeln werdenden Berge links liegen lässt, erreicht sie den ehemaligen Truppenübungsplatz, das heutige Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide, das mit seinen 75 km² das größte in Sachsen und das drittgrößte in Deutschland ist. Als Totalreservat kann die Natur hier „machen was sie will“. Das gilt auch für die Pulsnitz, die hier nach Belieben mäandern darf. Das Belieben wird lediglich durch zwei „Kräfte“ begrenzt. Die „2. Kraft“ ist einer der besten Baumeister der Natur, der Elbebiber. ??? Familien dieses imposanten Tiers, das (ohne Schwanz gemessen) bis zu 1,50 m groß wird. Sie stauen an, leiten um, kanalisieren – aber die „1.Kraft“ können auch sie nicht überwinden. An den Nordausläufern der granitenen Oberlausitzer Vorberge beißt er sich die Zähne aus. Hier bilden die umliegenden Hügelketten natürliche Barrieren von mindestens 10 m Höhe, die auch der Biber nicht anstaut. Am Ausgang des Naturschutzgebietes, wo der Höhenunterschied zur Umgebung nur noch 3 m oder weniger beträgt, wird die Pulsnitz bereits wieder in einen künstlichen Flussbett eingefangen.

Ausgangs der Königsbrücker Heide hat die Pulsnitz nach mal ein Schlupfloch durch die Oberlausitzer Vorberge gefunden, die jetzt in den Kmehlener Bergen in Ost-West-Richtung endgültig auslaufen. Hier verläuft die Sächsisch-Brandenburgische Grenze. Auf sächsischer Seite ist der für Sachsen unbedeutende Hutenberg 212 m hoch, der höchste Berg Brandenburgs, der Kutschenberg, scheitert knapp an der 200-Meter-Marke. Die Pulsnitz interessiert das hier kaum noch, denn sie hat jetzt weites, flaches Land vor sich, in dem sie sich die Stelle theoretisch aussuchen kann, an der sie in die Elster mündet. Die Bewohner des Schradenlandes haben ihr die Arbeit aber durch Kanalisation und Melioration abgenommen.

Um zu verstehen, dass die Pulsnitz einst zum Grenzfluss taugte, muss man die Geologie ihrer Umgebung verstehen. Die Oberlausitzer Vorberge waren die entscheidende landschaftliche Marke, die die Lebensräume in früheren Besiedlungszeiten voneinander trennte.

Nicht nur von Bautzen kommend wirken die Vorberge imposant. Wenn man oberhalb der linkselbischen Täler steht, von wo man im Norden Meißen erblickt und im Süden das Elbsandsteingebirge, wenn man dann den Zusammenhang dieses urbanen Talkessels begreift und den überwältigenden Eindruck, den er hinterlässt, für einen Moment überwinden kann und zum östlichen Horizont blickt, also über die Weinberge hinaus, so entdeckt man eben jene Bergkette, aus der der Keulenberg herausragt und begreift ihn sofort als Ende dieses Gebietes.

Als sich hier die Elbsorben ansiedelten, müssen sie es ähnlich gesehen haben. Ihre entfernten Verwandten, die Milzener, die wir heute Obersorben nennen, und die um Bautzen herum siedelten, müssen es ähnlich gesehen und empfunden haben, nur aus der anderen Richtung (siehe Karte „Siedlungsräume“): Jenseits liegt das jeweils andere Land. Erst später, als die Besiedlung aus beiden Richtungen expandierte, einigte man sich auf eine Grenze. Was eignete sich da besser als ein Fluss mitten in dieser Bergkette – die Pulsnitz?


[1] Walter Wenzel, Lausitzer Ortsnamenbuch, Domowina-Verlag Bautzen, 1. Aufl. 2008
[2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, Suchwort Puls
[3] Landesvermessungsamt Sachsen, Topographische Karte, Blatt 41 Kamenz, Pulsnitz, 1997
[4]Anleiter GmbH, Prinzessinnenstraße 19-20, 10969 Berlin, Deutschland, Anleitung: Wie berechnet man ein Gefälle

Die Pulsnitz vor 1635

Zur politischen und kulturgeschichtlichen Grenze entwickelte sich die Pulsnitz erst seit dem 10. Jahrhundert, mit dem Beginn der deutschen Expansion östlich der Elbe. Die Oberlausitzer Vorberge mit dem Fluss Pulsnitz von der Quelle bis zur Elstermündung bildeten für hundert Jahre die deutsche Reichsgrenze. Die Pulsnitz ist seit dem die natur- und kulturräumliche Grenze für die Mark Meißen, das heutige Sächsische Elbland. Östlich davon lag das Land ohne festen Namen, damals das Milzenerland, das spätere Land Budissin und noch spätere Sechstädteland, die heutige Oberlausitz, das jeder Eroberer anders nannte. Sie war bis ins erste Drittel des 11. Jahrhunderts hart umkämpft zwischen Deutschen und Polen. Erst ab 1031 wurde auch das Milzenerland endgültig Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches. 1123 bemächtigte sich Konrad der Große der Mark Meißen. Er gilt als der Begründer der Wettinischen Macht. 1144 erhielt er von Kaiser Lothar auch das Milzener Land, die heutige Oberlausitz, als Lehen, doch dessen Nachfolger Friedrich Barbarossa entzog es ihm wieder und gab es einem treueren Vasalen, dem Böhmischen Herzog Vratislav, was für das Trennende in der Geschichte der Oberlausitz und des übrigen Sachsens von erheblichen Folgen sein sollte.

Eben aus jener Zeit ist noch heute geläufig, das linke Pulsnitzufer als Meißner Seite zu bezeichnen und das rechte Ufer als böhmische Seite. Selbst in den Grundbüchern der Dörfer findet man bis heute noch die Kürzel MS und BS. → Antwort auf die Frage 8

Durch die Goldene Bulle Böhmens 1212 erreichten die Böhmischen Herrscher eine klare Abgrenzung von Böhmen und Mähren vom übrigen Deutschen Reich. Nachdem diese erreicht war, wandten sie sich wieder verstärkt dem "Land Budissin" zu. Als Verbündete des Kaisers setzten sie mehrfach den Kontrahenten in der Mark Meissen zu.

Neben den Böhmischen Herrschern engagierte sich aber auch Bischof Bruno II von Meißen im Bautzener Land. Grund dafür waren Kaiserliche Landschenkungen - gelegen u.a. zwischen Bautzen und Kamenz. Mit der Gründung von Kollegiatsstiften in Bautzen und Großenhain zwischen 1215 und 1225 beugte er weiterer Einflussnahme böhmischer Bischöfe in der Region vor und sicherte so für die Zukunft, dass die Bindungen nach Meißen erhalten blieben.

1220 gründete Bernhard II von Vesta die Stadt Kamenz. Sein Nachfahr Bernhard III stiftete 1248 das Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern . In der Gründungsurkunde wurden u.a. Radeburg und Königsbrück erstmals urkundlich erwähnt. 1293 wurde Bernhard III Bischof von Meißen.

1253 bis 1319 war die heutige Oberlausitz vermutlich ein ein böhmisches Pfand in den Händen brandenburgischer Markgrafen. 1268 teilten diese das Land in ein Land Bautzen und ein Land Görlitz.

Durch die weltliche Zugehörigkeit zu Böhmen und die geistliche zum Bistum Meißen war das Land im 14. Jahrhundert ein ständiger Zankapfel. Dazu kamen die Übergriffe des Landadels auf den Handelswegen. Raubrittertum breitete sich aus. Aufgrund des Fehlens einer starken ordnenden Macht vor Ort entschlossen sich die sechs wichtigsten Städte zum Zusammenschluß im Oberlausitzer Sechsstädtebund 1346, der nun der weltlichen Macht, der Böhmischen Krone Treue schwor.

Kaiser Karl IV nutzte das neue, ihm ergebene städtische Bündnis zur Stabilisierung seiner eigenen Macht. So erhielten die Städte bedeutende Rechte und wurden quasi eine "Ständerepublik" mit eigener Gerichtsbarkeit. Die Städte am Grenzfluss – Königsbrück und Pulsnitz – erfüllten ihre Funktion als Vor-Posten des Bundes hervorragend. Sie vernichteten das Raubrittertum in dem Landstrich nahezu vollständig, wehrten auch die permanenten Begehrlichkeiten der Meißner erfolgreich ab und wurden gleichzeitig zu wichtigen Handelsplätzen zwischen dem wirtschaftlich erstarkenden Städtebund und der Mark Meißen. Die Oberlausitz hieß nun "Sechsstädteland".

In der Zeit der Hussitenkriege 1419 bis 1436 spielten sowohl die Sechsstädte als auch der Markgraf von Meißen als kaiserliche Verbündete eine wichtige Rolle.

1423 wurde dem Markgrafen von Meißen, Friedrich, dem Streitbaren, für seine Dienste gegen die Hussiten die Kurwürde und unter anderem das Herzogtum Sachsen-Wittenberg („Kursachsen“) übertragen. Damit wurde der Name Sachsen auf die Mark Meißen ausgedehnt, das nun zum Kernland Sachsens werden sollte.

Erstmals 1474 tauchte der Name "Lusatia superior" als beschreibende Nebenbezeichnung für das Sechsstädteland auf - als das „Land oberhalb der Lausitz“. Erst weitere 100 Jahre später wurde die Bezeichnung "Oberlausitz" geläufig, während der Name "Lausitz", die um einige hundert Jahre ältere Bezeichnung des Siedlungsgebietes der sorbischen Liutizen, auch heute noch häufig gleichbedeutend mit "Niederlausitz" verwendet wird. Die Verwendung des Begriffes "Lausitz" für beide Lausitzen ist ein Produkt der Neuzeit → Antwort auf die Frage 6

Die Leipziger Teilung 1485 zwischen den Friedrichs Söhnen Ernst und Albrecht begründete die Trennung der Wettiner in Ernestiner und Albertiner. Die Kurwürde ging zunächst mit dem ehemaligen Sachsen-Wittenberg an die Ernestiner, während die Albertiner die ehemalige Mark Meißen erhielten.

1517 verkündete Martin_Luther in Wittenberg seine 95 Thesen und leitete die Reformation ein. Er genoss den Schutz des (ernestinischen) Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen.

Schon ab 1521 begannen Pfarrer in den Sechsstädten lutherisch zu predigen. Ab 1526 bildeten sich lutherische (protestantische) Landeskirchen. Die Reichseinheit, im Inneren durch die protestantische Bewegung geschwächt, wurde von außen durch die Türken bedroht. In der Schlacht von Mohács fiel der böhmisch-ungarische König, ohne direkte Erben zu hinterlassen, so dass die jeweiligen Kronen von dem Habsburger Ferdinand I beansprucht wurden, was die böhmischen Stände (einschließlich der Stände der Lausitzen) noch im selben Jahr bestätigten, nachdem es ihm gelang, die vor Wien stehenden Türken zurückzudrängen.

1531 schlossen sich die reformierten deutschen Fürsten zum Schmalkaldischen Bund zusammen.

Da die protestantischen Sechsstädte dem katholischen böhmischen König und römisch-deutschen Kaiser Karl V. (in dessen Reich "die Sonne nie untergeht") Treue geschworen hatten, forderte er diese 1547 zum Kampf gegen die aufständischen protestantischen Stände in Böhmen und Schlesien und gegen den Schmalkaldischen Bund auf. Doch als protestantische „Brüder im geiste“ entzogen sie sich ihrer Pflicht.

Im Gegensatz zu ihnen stellte sich der ebenfalls protestantische Albertiner Moritz von Sachsen, auf die Seite des Kaisers und zog mit ihm in den Schmalkaldischen Krieg. Das, obwohl er 1539 das katholische Bistum Meißen aufgelöst hatte. Nach dem Sieg in der Schlacht von Mühlberg erhielt er vom Kaiser 1547 die Kurwürde und damit den Sitz des besiegten ernestinischen Herzogs Johann Friedrich von Sachsen im Kurfürstenkollegium, als Belohnung für seine Dienste.

Die Sechstädte aber wurden hart bestraft. Für sie endete mit dem sogenannten Pönfall 1547 die historische Sonderstellung. Den Oberlausitzer Städten wurden sämtliche Rechte entzogen.

In langwierigen Auseinandersetzungen mussten Kompromisse gefunden werden, die das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in der Oberlausitz sicherten. So wurde der Dom St. Petri in Bautzen zur Simultankirche - zwei Konfessionen unter einem Dach. → Antwort auf die Frage 4

1570 unterstellte die Kurie den in der Oberlausitz verbliebenen Rest des Bistums Meißen, das Bautzener Kapitel, direkt dem Papst. So blieb die katholische Infrastruktur im Sechstädteland erhalten. Das Bistum Meißen wurde schon als solches 1581, aber 1921 bis 1980 noch einmal als solches eingerichtet – mit Sitz in Bautzen. Danach wurde der sitz nach Dresden verlegt und das Bistum heißt seitdem Bistum Dresden-Meißen. → Antwort auf Frage 10

Mit dem Aufstand der (protestantischen) Böhmischen Stände, zu denen auch die Stände der übrigen Kronländer – Mähren, Schlesien und die Lausitzen – gehörten, begann 1618 der 30jährige Krieg (Fenstersturz zu Prag). Im Falle eines Sieges der Stände hätten die fünf Länder einen eigenen Staat gebildet – ähnlich der Schweiz oder Holland. Doch dass die Stände der fünf Kronländer unterlagen, lag am Verrat eines protestantischen Glaubensbruders in Meißen – dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., der den Kaiser Ferdinand II. 1620 bei der Niederwerfung der Stände unterstützte. Das Ringen um den Ständestaat fand 1635 sein Ende im Prager Frieden. Die wichtigste territoriale Veränderung des Prager Friedens war danach die Übergabe der böhmischen Kronländer Oberlausitz und Niederlausitz an den Sachsen - vertraglich geregelt mit dem sogenannten Traditionsrezess. Der Kaiser beglich damit einerseits seine Kriegsschulden und zerschlug damit das mächtige Ständebündnis als potentielle Gefahr für seine Macht. Die Städte der Oberlausitz hatten fortan sowohl dem König von Böhmen als auch dem Kurfürsten von Sachsen zu huldigen. Deshalb verblieb auch der Böhmische Löwe in den Wappen der ehemaligen Sechsstädte. → Antwort auf die Frage 11

Die Pulsnitz 1635 bis 1815

Bis zum Prager Frieden vom 30. Mai 1635 gehörten die Lausitzen zum ständisch-förderativen Staatsgebilde unter böhmischer Krone. Er beendete den Krieg zwischen dem Kaiser und der katholischen Liga auf der einen Seite und dem Schmalkaldischen Bund auf der anderen Seite - u.a. um den Preis der Ober- und Niederlausitz.
Der Traditionsrezess legte fest, dass die ständische Verfassungsordnung der Lausitzen unverändert fortbestehen solle. Er war u.a. die Grundlage, dass insbesondere die Oberlausitz ein bikonfessionelles Gebiet blieb, während im eigentlichen Sachsen das Luthertum die einzig zugelassene Konfession war. Zudem verhinderte der Vertrag, dass die Lausitzen in den übrigen sächsischen Kurstaat, westlich der Pulsnitz, eingegliedert werden konnten. Sie waren mit diesem nur durch Personalunion verbunden. Die Kloster in der Oberlausitz blieben erhalten und bestehen bis heute, während die Klöster im übrigen Sachsen aufgelöst wurden und die heute vorhandenen Neu- oder Wiedergründungen in späterer Zeit sind. Vor allem für die sorbische Landbevölkerung der Oberlausitz, die im Gegensatz zu den Städten überwiegend katholisch geblieben war, hatte der Traditionsrezess zur Folge, dass sowohl Religion, als auch Sprache unantastbar blieben. Dagegen war im Meißnischen schon seit 1424 das Sorbische verboten worden. Bis dahin war es sogar Amtssprache neben dem Deutschen.

Die Wirksamkeit des Vertrages endete erstmals 1806, als Kurfürst Friedrich August III. von Napoleon zum König von Sachsen erhoben wurde. Napoleon legte auch die Grenzen von Sachsen neu fest, so dass die Lausitzen einschließlich der preußischen Exklave Kottbus bis 1815 zum sächsischen Königreich gehörten.

Durch die auf dem Wiener Kongress 1815 geschlossenen Verträge zur Neuordnung Europsas behielt Sachsen zwar die Königswürde, doch um den Preis der Hälfte seines Territoriums, das an Preußen ging. Darunter ganz Kursachsen (Wittenberg), der Thüringische Kreis und die Niederlausitz. Willkürlich wurden der Leipziger Kreis und der Meißnische Kreis sowie die Oberlausitz „quergeteilt“. Der formal-juristische Anspruch der Böhmischen Krone blieb noch bis 1831 bestehen, als mit der Verfassung die Unteilbarkeit („Rest“-)Sachsens besiegelt wurde.

Das Königreich wurde nach dem Wiener Kongress in fünf Kreishauptmannschaften (Regierungsbezirke) eingeteilt und zwar: Bautzen, Chemnitz, Dresden und Leipzig, wobei die Pulsnitz erneut zur Grenze wurde - zwischen den Kreishauptmannschaften Dresden und Bautzen. An ähnlichen Grenzen orientieren sich auch heute noch die Gliederungen in Planungsregionen, Verkehrsverbünde und Verwaltungszuständigkeiten. Auch kulturelle und ethnische Unterschiede bestehen fort. Östlich und westlich der Grenze werden markant zu unterscheidende Dialekte gesprochen. Westlich das Thüringisch-Obersächsische, das als "typisch sächsisch" gilt, östlich das Schlesisch-Lausitzische. Die sprachlichen Unterschiede z.B. zwischen Tauscha und Königsbrück (5 km) oder zwischen Böhla b.O. und Ortrand (2 km) sind größer als z.B. zwischen Tauscha oder Böhla b.O. und Weimar (ca. 220 km).

Die Pulsnitz 1815 bis 1992

Im Mittelabschnitt der Pulsnitz, genau dort, wo sich heute das NSG Königsbrücker Heide entfaltet, wurde 1907 durch König Friedrich August III der Truppenübungsplatz Königsbrück errichtet, der die räumliche Trennung zwischen dem Königreich und der Oberlausitz nicht gerade überwinden half. In Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges erfolgte eine Erweiterung des Platzes auf ca. 7.500 ha und nach dem Krieg wuchs er auf ca. 8.000 ha. Erst mit dem Abzug der GUS-Streitkräfte endete im Juli 1992 die militärische Nutzung und erstmals wurde damit die Chance gegeben, das Trennende in der Region zu überwinden. Aufgrund der Polizeiverordnung von 1992 wurde diese Chance jedoch zunächst wieder zunichte gemacht.

Die Pulsnitz 1992 bis heute

Die Begehrlichkeiten waren nach der Wende groß. Als 1992 der Freistaat Sachsen den Übungsplatz zum Naturschutzgebiet erklärte, stieß das in der Bevölkerung teilweise auf wenig Verständnis, erhielt das doch die „Sollbruchstelle Pulsnitz“ zwischen dem übrigen Sachsen und der Oberlausitz aufrecht. Schutzzweck, Erhaltungs- und Entwicklungsziele sollten durch eine im Jahr 1996 verabschiedete Polizeiverordnung geregelt werden. Statt um Verständnis zu werben wurden erst einmal Verbote gesetzt, was für erheblichen Unfrieden sorgte und bis heute sorgt. Es wird noch Zeit brauchen, ehe das Alleinstellungsmerkmal der zur Wildnis werdenden Landschaft tatsächlich als Chance für die Region und ihr Zusammenwachsen begriffen wird und ehe auch auf Seiten des Naturschutzes die Erkenntnis reift, dass Tourismus nicht per se eine Bedrohung für die Natur ist.

Im April 2003 wurde ein Besucherkonzept vorgelegt, dessen Erkenntnisse für die gesamte Heidebogen-Region wegweisend waren. Die grundlegenden Ideen fanden Eingang im Gebietskonzept der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) "Westlausitzer Heidebogen" und wurden im Rahmen von LEADER+ bis 2006 umgesetzt. Kernstück war die Entwicklung des Touristischen Wegenetzes, das Brücken zwischen den Teilregionen schuf und damit die Region als Ganzes erschloss. Die heute „Dresdner Heidebogen“ genannte Entwicklungsregion hat die Pulsnitz in ihrer Mitte und ist heute so aufgestellt, dass sie sich als Bindeglied zwischen dem boomenden Ballungsraum im Oberen Elbtal und der Oberlausitz entwickeln kann. Das im Gebietskonzept entwickelte Leitbild der Region wurde für die Förderperiode 2007 - 2013 grundlegend überarbeitet und auf alle Lebensbereiche im ländlichen Raum erweitert.

Samstag, 19. Februar 2011

"In Deutschland sind derzeit 13 Regional- und Minderheitensprachen bedroht," schreibt die UNESCO. Der Dialekt meiner Heimat, der Oberlausitz, ist in der Liste nicht dabei. Das hat mich veranlasst, diesen Blog zu öffnen und hier über die fast ausgestorbene Lausitzisch-Schlesisch-Böhmische Dialektgruppe zu schreiben. Es gibt nur noch wenige Sprecher im Oberlauitzer Bergland und im Zittauer Gebirge.

Quelle: UNESCO