Mittwoch, 16. März 2011

Die Pulsnitz vor 1635

Zur politischen und kulturgeschichtlichen Grenze entwickelte sich die Pulsnitz erst seit dem 10. Jahrhundert, mit dem Beginn der deutschen Expansion östlich der Elbe. Die Oberlausitzer Vorberge mit dem Fluss Pulsnitz von der Quelle bis zur Elstermündung bildeten für hundert Jahre die deutsche Reichsgrenze. Die Pulsnitz ist seit dem die natur- und kulturräumliche Grenze für die Mark Meißen, das heutige Sächsische Elbland. Östlich davon lag das Land ohne festen Namen, damals das Milzenerland, das spätere Land Budissin und noch spätere Sechstädteland, die heutige Oberlausitz, das jeder Eroberer anders nannte. Sie war bis ins erste Drittel des 11. Jahrhunderts hart umkämpft zwischen Deutschen und Polen. Erst ab 1031 wurde auch das Milzenerland endgültig Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches. 1123 bemächtigte sich Konrad der Große der Mark Meißen. Er gilt als der Begründer der Wettinischen Macht. 1144 erhielt er von Kaiser Lothar auch das Milzener Land, die heutige Oberlausitz, als Lehen, doch dessen Nachfolger Friedrich Barbarossa entzog es ihm wieder und gab es einem treueren Vasalen, dem Böhmischen Herzog Vratislav, was für das Trennende in der Geschichte der Oberlausitz und des übrigen Sachsens von erheblichen Folgen sein sollte.

Eben aus jener Zeit ist noch heute geläufig, das linke Pulsnitzufer als Meißner Seite zu bezeichnen und das rechte Ufer als böhmische Seite. Selbst in den Grundbüchern der Dörfer findet man bis heute noch die Kürzel MS und BS. → Antwort auf die Frage 8

Durch die Goldene Bulle Böhmens 1212 erreichten die Böhmischen Herrscher eine klare Abgrenzung von Böhmen und Mähren vom übrigen Deutschen Reich. Nachdem diese erreicht war, wandten sie sich wieder verstärkt dem "Land Budissin" zu. Als Verbündete des Kaisers setzten sie mehrfach den Kontrahenten in der Mark Meissen zu.

Neben den Böhmischen Herrschern engagierte sich aber auch Bischof Bruno II von Meißen im Bautzener Land. Grund dafür waren Kaiserliche Landschenkungen - gelegen u.a. zwischen Bautzen und Kamenz. Mit der Gründung von Kollegiatsstiften in Bautzen und Großenhain zwischen 1215 und 1225 beugte er weiterer Einflussnahme böhmischer Bischöfe in der Region vor und sicherte so für die Zukunft, dass die Bindungen nach Meißen erhalten blieben.

1220 gründete Bernhard II von Vesta die Stadt Kamenz. Sein Nachfahr Bernhard III stiftete 1248 das Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern . In der Gründungsurkunde wurden u.a. Radeburg und Königsbrück erstmals urkundlich erwähnt. 1293 wurde Bernhard III Bischof von Meißen.

1253 bis 1319 war die heutige Oberlausitz vermutlich ein ein böhmisches Pfand in den Händen brandenburgischer Markgrafen. 1268 teilten diese das Land in ein Land Bautzen und ein Land Görlitz.

Durch die weltliche Zugehörigkeit zu Böhmen und die geistliche zum Bistum Meißen war das Land im 14. Jahrhundert ein ständiger Zankapfel. Dazu kamen die Übergriffe des Landadels auf den Handelswegen. Raubrittertum breitete sich aus. Aufgrund des Fehlens einer starken ordnenden Macht vor Ort entschlossen sich die sechs wichtigsten Städte zum Zusammenschluß im Oberlausitzer Sechsstädtebund 1346, der nun der weltlichen Macht, der Böhmischen Krone Treue schwor.

Kaiser Karl IV nutzte das neue, ihm ergebene städtische Bündnis zur Stabilisierung seiner eigenen Macht. So erhielten die Städte bedeutende Rechte und wurden quasi eine "Ständerepublik" mit eigener Gerichtsbarkeit. Die Städte am Grenzfluss – Königsbrück und Pulsnitz – erfüllten ihre Funktion als Vor-Posten des Bundes hervorragend. Sie vernichteten das Raubrittertum in dem Landstrich nahezu vollständig, wehrten auch die permanenten Begehrlichkeiten der Meißner erfolgreich ab und wurden gleichzeitig zu wichtigen Handelsplätzen zwischen dem wirtschaftlich erstarkenden Städtebund und der Mark Meißen. Die Oberlausitz hieß nun "Sechsstädteland".

In der Zeit der Hussitenkriege 1419 bis 1436 spielten sowohl die Sechsstädte als auch der Markgraf von Meißen als kaiserliche Verbündete eine wichtige Rolle.

1423 wurde dem Markgrafen von Meißen, Friedrich, dem Streitbaren, für seine Dienste gegen die Hussiten die Kurwürde und unter anderem das Herzogtum Sachsen-Wittenberg („Kursachsen“) übertragen. Damit wurde der Name Sachsen auf die Mark Meißen ausgedehnt, das nun zum Kernland Sachsens werden sollte.

Erstmals 1474 tauchte der Name "Lusatia superior" als beschreibende Nebenbezeichnung für das Sechsstädteland auf - als das „Land oberhalb der Lausitz“. Erst weitere 100 Jahre später wurde die Bezeichnung "Oberlausitz" geläufig, während der Name "Lausitz", die um einige hundert Jahre ältere Bezeichnung des Siedlungsgebietes der sorbischen Liutizen, auch heute noch häufig gleichbedeutend mit "Niederlausitz" verwendet wird. Die Verwendung des Begriffes "Lausitz" für beide Lausitzen ist ein Produkt der Neuzeit → Antwort auf die Frage 6

Die Leipziger Teilung 1485 zwischen den Friedrichs Söhnen Ernst und Albrecht begründete die Trennung der Wettiner in Ernestiner und Albertiner. Die Kurwürde ging zunächst mit dem ehemaligen Sachsen-Wittenberg an die Ernestiner, während die Albertiner die ehemalige Mark Meißen erhielten.

1517 verkündete Martin_Luther in Wittenberg seine 95 Thesen und leitete die Reformation ein. Er genoss den Schutz des (ernestinischen) Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen.

Schon ab 1521 begannen Pfarrer in den Sechsstädten lutherisch zu predigen. Ab 1526 bildeten sich lutherische (protestantische) Landeskirchen. Die Reichseinheit, im Inneren durch die protestantische Bewegung geschwächt, wurde von außen durch die Türken bedroht. In der Schlacht von Mohács fiel der böhmisch-ungarische König, ohne direkte Erben zu hinterlassen, so dass die jeweiligen Kronen von dem Habsburger Ferdinand I beansprucht wurden, was die böhmischen Stände (einschließlich der Stände der Lausitzen) noch im selben Jahr bestätigten, nachdem es ihm gelang, die vor Wien stehenden Türken zurückzudrängen.

1531 schlossen sich die reformierten deutschen Fürsten zum Schmalkaldischen Bund zusammen.

Da die protestantischen Sechsstädte dem katholischen böhmischen König und römisch-deutschen Kaiser Karl V. (in dessen Reich "die Sonne nie untergeht") Treue geschworen hatten, forderte er diese 1547 zum Kampf gegen die aufständischen protestantischen Stände in Böhmen und Schlesien und gegen den Schmalkaldischen Bund auf. Doch als protestantische „Brüder im geiste“ entzogen sie sich ihrer Pflicht.

Im Gegensatz zu ihnen stellte sich der ebenfalls protestantische Albertiner Moritz von Sachsen, auf die Seite des Kaisers und zog mit ihm in den Schmalkaldischen Krieg. Das, obwohl er 1539 das katholische Bistum Meißen aufgelöst hatte. Nach dem Sieg in der Schlacht von Mühlberg erhielt er vom Kaiser 1547 die Kurwürde und damit den Sitz des besiegten ernestinischen Herzogs Johann Friedrich von Sachsen im Kurfürstenkollegium, als Belohnung für seine Dienste.

Die Sechstädte aber wurden hart bestraft. Für sie endete mit dem sogenannten Pönfall 1547 die historische Sonderstellung. Den Oberlausitzer Städten wurden sämtliche Rechte entzogen.

In langwierigen Auseinandersetzungen mussten Kompromisse gefunden werden, die das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in der Oberlausitz sicherten. So wurde der Dom St. Petri in Bautzen zur Simultankirche - zwei Konfessionen unter einem Dach. → Antwort auf die Frage 4

1570 unterstellte die Kurie den in der Oberlausitz verbliebenen Rest des Bistums Meißen, das Bautzener Kapitel, direkt dem Papst. So blieb die katholische Infrastruktur im Sechstädteland erhalten. Das Bistum Meißen wurde schon als solches 1581, aber 1921 bis 1980 noch einmal als solches eingerichtet – mit Sitz in Bautzen. Danach wurde der sitz nach Dresden verlegt und das Bistum heißt seitdem Bistum Dresden-Meißen. → Antwort auf Frage 10

Mit dem Aufstand der (protestantischen) Böhmischen Stände, zu denen auch die Stände der übrigen Kronländer – Mähren, Schlesien und die Lausitzen – gehörten, begann 1618 der 30jährige Krieg (Fenstersturz zu Prag). Im Falle eines Sieges der Stände hätten die fünf Länder einen eigenen Staat gebildet – ähnlich der Schweiz oder Holland. Doch dass die Stände der fünf Kronländer unterlagen, lag am Verrat eines protestantischen Glaubensbruders in Meißen – dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., der den Kaiser Ferdinand II. 1620 bei der Niederwerfung der Stände unterstützte. Das Ringen um den Ständestaat fand 1635 sein Ende im Prager Frieden. Die wichtigste territoriale Veränderung des Prager Friedens war danach die Übergabe der böhmischen Kronländer Oberlausitz und Niederlausitz an den Sachsen - vertraglich geregelt mit dem sogenannten Traditionsrezess. Der Kaiser beglich damit einerseits seine Kriegsschulden und zerschlug damit das mächtige Ständebündnis als potentielle Gefahr für seine Macht. Die Städte der Oberlausitz hatten fortan sowohl dem König von Böhmen als auch dem Kurfürsten von Sachsen zu huldigen. Deshalb verblieb auch der Böhmische Löwe in den Wappen der ehemaligen Sechsstädte. → Antwort auf die Frage 11

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